Flüstern am Lebensende

1. Ein Satz, der das Paradies öffnet?

 

Man hört oft: Wenn die letzten Worte eines Menschen "La ilaha illa Allah" sind  "Es gibt keinen Gott außer Allah", dann sei ihm das Paradies sicher.

 

Lass dir das einmal auf der Zunge zergehen.

Ein Leben voller Lügen, Diebstahl, Verrat, Unterdrückung und ein einziger Satz am Ende macht alles ungeschehen?

 

Ein geflüstertes Bekenntnis, und alles ist vergeben?

Kann Erlösung wirklich so einfach sein?

Oder glauben wir an etwas, das wir nie wirklich hinterfragt haben?

 

2. Koran vs. Hadith

 

Es gibt Hadithe, die so verstanden werden können, dass das Paradies schon für das bloße Aussprechen der Schahada sicher ist, egal, wie das Leben davor aussah:

 

Überlieferung von Muʿādh ibn Dschabal:

Der Gesandte Allahs (ﷺ) sagte:

„Wessen letzte Worte ‚Es gibt keinen Gott außer Allah‘ sind, der wird ins Paradies eingehen.“

Sunan Abī Dāwūd 3116

 

 

Überlieferung von ʿUbādah ibn aṣ-Ṣāmit 

Der Gesandte Allahs (ﷺ) sagte:

„Wer bezeugt, dass es keinen wahren Gott gibt außer Allah, allein ohne Partner, dass Muhammad Sein Diener und Gesandter ist, dass ʿĪsā (Jesus) Sein Diener und Gesandter ist, Sein Wort, das Er Maria (Maryam) übermittelte, und ein Geist von Ihm, den Er ihr sandte, dass das Paradies wahr ist und die Hölle wahr ist – den lässt Allah ins Paradies eintreten, ungeachtet dessen, was er an Taten begangen hat.“

Riyāḍ aṣ-Ṣāliḥīn 412

 

Weitere Überlieferung in Ṣaḥīḥ Muslim:

Der Gesandte Allahs (ﷺ) sagte:

„Wer bezeugt, dass es keinen wahren Gott außer Allah gibt und dass Muhammad der Gesandte Allahs ist, den bewahrt Allah, der Erhabene, vor dem Höllenfeuer.“

Überliefert bei al-Buḫārī und Muslim

 

Diese Aussagen sind bekannt und werden oft an Sterbebetten oder bei Beerdigungen zitiert. Sie geben Hoffnung.

Aber spiegeln sie die ganze Wahrheit wider?

Denn der Koran spricht eine andere Sprache: Er verlangt mehr. Tiefer. Ehrlicher. Gerechter.

Der Koran macht deutlich: Der Weg ins Paradies führt nicht über einen letzten Satz, sondern über Glaube, Aufrichtigkeit und Taten.

 

Wer nun Gutes im Gewicht eines Stäubchens tut, wird es sehen.Und wer Böses im Gewicht eines Stäubchens tut, wird es sehen. 99:7-8

 

 

Das Wägen an jenem Tag erfolgt der Wahrheit entsprechend. Diejenigen, deren Waagschalen schwer sind, das sind die, denen es wohl ergeht. Diejenigen, deren Waagschalen leicht sind, das sind die, die sich selbst verloren haben, weil sie sich gegenüber unseren Zeichen ungerecht verhielten.7:8-9

 

Der Koran verlangt ein Leben in Wahrhaftigkeit. Ein Glaube ohne Handlung ist leer. Reue muss rechtzeitig kommen. Das Urteil wird gerecht sein.

 

Nicht aber ist die Annahme der Reue für diejenigen, die böse Taten begehen, bis daß, wenn sich bei einem von ihnen der Tod einstellt, er sagt: "Jetzt bereue ich", und auch nicht für diejenigen, die als Ungläubige sterben. Für jene haben Wir schmerzhafte Strafe bereitet. 4:18

 

3. Das Geständnis des Pharao

 

Kaum eine Geschichte im Koran zeigt das so deutlich wie die des Pharao.

 

Und Wir ließen die Kinder Isra'ils das Meer durchschreiten. Da verfolgten sie Fir'aun und seine Heerscharen in Auflehnung und Übertretung, bis daß, als er vom Ertrinken erfaßt wurde, er sagte: "Ich glaube, daß es keinen Gott gibt außer dem, an den die Kinder Isra'ils glauben. Und ich gehöre (nun) zu den (Allah) Ergebenen."

 

Wie? Erst jetzt, wo du zuvor ungehorsam warst und zu den Unheilstiftern gehörtest?

 

Heute wollen Wir dich mit deinem Leib erretten', damit du für diejenigen, die nach dir kommen, ein Zeichen seiest." Und viele von den Menschen sind gegenüber Unseren Zeichen wahrlich unachtsam. 10:90-92

 

 

Pharao bekannte seinen Glauben erst im Moment des Todes. Doch das reichte nicht. Es war zu spät.

Sein ganzes Leben war geprägt von Hochmut und Unterdrückung. Ein spätes Bekenntnis kann das nicht auslöschen.

Diese Geschichte ist eine deutliche Mahnung: Reue darf nicht aufgeschoben werden.

 

4. Selbst Iblis glaubt an Gott

Wenn bloßer Glaube ausreichen würde, wäre selbst Iblis gerettet.

Denn Iblis glaubt an Allah. Er spricht mit Ihm. Er fürchtet Seine Strafe:

 

Und als der Satan ihnen ihre Werke ausschmückte und sagte: "Es gibt heute keinen unter den Menschen, der euch besiegen könnte. Und ich bin euch ein Beschützer. Als aber die beiden Scharen einander sahen, machte er auf seinen Fersen kehrt und sagte: "Gewiß, ich sage mich von euch los. Ich sehe, was ihr nicht seht. Ich fürchte Allah. Und Allah ist streng im Bestrafen."8:48

 

Er sagte: "Mein Herr, darum, daß Du mich in Verirrung hast fallen lassen, werde ich ihnen ganz gewiß auf der Erde (das Böse) ausschmücken und sie ganz gewiß allesamt in Verirrung fallen lassen. 15:39

 

Er sagte: "Nun, bei Deiner Macht, ich werde sie allesamt ganz gewiß in Verirrung fallen lassen. 38:82

 

Aber Iblis ist verflucht. Warum?

Weil er trotz seines Glaubens nicht gehorcht. Er ist hochmütig. Er stellt seinen eigenen Willen über Gottes Willen.

 

O mein Vater, diene nicht, dem Satan. Der Satan ist gegen den Erbarmer widerspenstig. 19:44

 

Außer Iblis; er wurde hochmütig und gehörte zu den Verweigerern.38:74

 

Glaube allein reicht nicht, wenn Demut, Gehorsam und Reue fehlen.

 

5. Was sagt der Koran: Was reicht wirklich?

 

Surah Al-‘Asr gibt eine klare Antwort:

 

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.

Beim Zeitalter!

Der Mensch befindet sich wahrlich in Verlust,

außer denjenigen, die glauben und rechtschaffene Werke tun und einander die Wahrheit eindringlich empfehlen und einander die Standhaftigkeit eindringlich empfehlen. 103:1-3

 

Vier Bedingungen:

  1. Glaube
  2. Gute Taten
  3. Wahrheit
  4. Geduld

 

Das ist kein Notfallplan für die letzten Sekunden.

Das ist eine Lebensaufgabe.

Ein Glaube, der handelt.

Ein Herz, das standhält.

Ein Leben, das bezeugt.

6. Die Schahada: Ein Anfang, kein Abkürzung

 

Die Schahada ist wunderschön. Sie ist das Versprechen an den Einen Gott.

Aber sie ist kein Zauberspruch:

Meinen die Menschen, daß sie in Ruhe gelassen werden, (nur) weil sie sagen: "Wir glauben", ohne daß sie geprüft werden? 29:2

 

La ilaha illa Allah" zu sagen, heißt: Allahs Autorität über das eigene Leben anzuerkennen.

 

Es bedeutet: Handeln. Bereuen. Streben. Sich unterwerfen.

Ja, sag die Worte. Aber lebe sie auch.

 

Denn am Ende zählt nicht, was deine Lippen im Sterben flüstern, sondern was dein Leben leise und ehrlich bezeugt hat.